Das Gesundheitssystem in den USA regt immer wieder zu kritischen Diskussionen an. Während man als Bürger Deutschlands versicherungspflichtig ist, also entweder privat und gesetzlich krankenversichert sein muss, ist in den USA der Abschluss einer Krankenversicherung obligatorisch.
Hierzulande geht man also einfach zum Arzt, ohne danach ein finanzielles Debakel erwarten zu müssen. Während Obama während seiner Amtszeit ein Pflichtmodell in den USA etablieren wollte setzt die Regierung Trump auf das bisherige System der Freiwilligkeit und die Versicherungspflicht wurde wieder aufgehoben. Es steht uns als Außenstehenden sicher nicht zu, darüber zu Urteilen, denn beide Seiten der Diskussionsvertreter aus den USA bringen Argumente für Ihre Sichtweise vor.
Doch wie verhält es sich in den USA nun eigentlich konkret im zahnmedizinischen Bereich? Dieser Frage geht die Journalistin Mary Otto in ihrem Buch „Teeth. The Story of Beauty, Inequality, and the Struggle for Oral Health in America“ auf den Grund. Wir haben einige Punkte daraus für Sie zusammengetragen.
Anlass für das zahnmedizinische Portrait stellt der Fall von dem 12jährigen Deamonte Driver aus Maryland dar. Eigentlich begann alles damit, dass der Bruder von Deamonte unter Zahnschmerzen litt und sich die Mutter auf die Suche nach einem Zahnarzt begab. Beide Jungs waren noch nie routinemäßig von einem Zahnarzt untersucht worden, denn hierfür fehlte schlicht und ergreifend das Geld – und von dem Gesundheitsfürsorgeprogramm „Medicaid“ waren solche Routinebehandlungen nicht abgedeckt. Als die Mutter schließlich doch einen Zahnarzt fand, der die Brüder innerhalb dieses Programms behandeln konnte, war es bereits zu spät: Bei Deamonte wurde ein stark entzündeter Zahnabszess festgestellt, die Entzündung hatte sich bereits bis in sein Gehirn ausgebreitet – jede Hilfe kam für den Jungen zu spät.
Die Journalistin zeigt in ihrem Buch die soziale Ungleichheit der Gesundheitsversorgung auf, in der die Zahn- und Allgemeinmedizin komplett voneinander autark sind. Zwischen Patienten und Zahnärzten liegen oft unüberwindbare Hürden. Der Fall Deamonte ist sicher ein extremes Beispiel, dennoch kann davon ausgegangen werden, dass es weitere vergleichbare Problemfälle gibt.
Jetzt stellt sich natürlich die berechtigte Frage, warum Zahnärzte ihre Patienten nicht einfach über „Medicaid“ versorgen. Mary Otto begründet es so: Viele Zahnärzte scheuen sich vor der mit der Abrechnung verbundenen Bürokratie, zudem bringt diese Behandlung dem Arzt auch weniger Geld ein als ein Privatzahler. Und: Medicaid-Patienten sind einfach keine Wunschpatienten, denn oftmals sind sie einkommensschwach, alt oder behindert.
Die Verbindung zwischen Krankheit und Armut laut Frau Otto unübersehbar. Mary Otto zeigt in ihrem Buch auf, dass etwa 49 Millionen US-Amerikaner keinerlei Zugang zur zahnmedizinischen Grundversorgung haben – unbehandelte Zahnschmerzen sind an der Tagesordnung. Kontrovers ist auch: Wer kein strahlendes Lächeln hat, wird oftmals auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt. Für die Betroffenen ein wahrer Teufelskreis!
So sehr sich auch bei uns viele über das Gesundheitssystem aufregen bietet es noch immer ein erheblich dichteres soziales Netz für die Bürger.
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